Berlin: Die deutsche Textil- und Modeindustrie warnt vor negativen Folgen für den Mittelstand der derzeit im Bundestag beratenen Vergaberechtsreform. Anlässlich der öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Wirtschaft und Energie im Deutschen Bundestag zum Planungsgesetz für die Bundeswehr am 10. November appelliert der Gesamtverband der deutschen Textil- und Modeindustrie, die Belange des deutschen Mittelstands ernsthafter zu berücksichtigen.
„Wir begrüßen selbstverständlich sehr das Ziel, Verfahren effizienter zu gestalten“, betont Uwe Mazura, Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbands textil+mode. „Die Ausgestaltung darf aber nicht zu Lasten kleiner und mittlerer Unternehmen gehen. Wenn die im Entwurf vorgesehen Regelungen so durchgewunken werden, droht der Mittelstand wieder mal das Nachsehen zu haben.“
Besonders kritisch sieht der Gesamtverband die geplante Ausweitung der Direktvergabe, bei der öffentliche Aufträge ohne Ausschreibungsverfahren unmittelbar vergeben werden können. Davon profitieren vor allem große Unternehmen mit etablierten Behördenkontakten und umfangreichen Leistungsangeboten – während kleinere Betriebe kaum eine Chance haben, berücksichtigt zu werden.
Auch das Aufweichen des bewährten Losverfahrens bewertet die Branche als Rückschritt. Die bisherige Pflicht, große Aufträge in kleinere Lose zu unterteilen, war ein zentrales Instrument zur Beteiligung des Mittelstands. Wird diese Regelung gelockert, drohen zentrale Großvergaben zulasten vieler spezialisierter Betriebe.
Darüber hinaus gefährdet die geplante Einschränkung der rechtlichen Nachprüfbarkeit die Rechtssicherheit im Vergabeverfahren. Gerade kleine und mittlere Unternehmen sind auf transparente und überprüfbare Verfahren angewiesen. Eine Schwächung der Kontrollmechanismen würde sie ebenfalls strukturell benachteiligen.
Um faire Wettbewerbsbedingungen zu sichern, fordert der Gesamtverband textil+mode, die Reform im Sinne des Mittelstands zu überarbeiten und folgende Punkte zu berücksichtigen:
- Verbindliche Vergabequote für KMU: Ein gesetzlich festgelegter Anteil öffentlicher Aufträge sollte kleinen und mittleren Unternehmen vorbehalten bleiben.
- Erhalt des Losverfahrens: Die Pflicht zur Aufteilung großer Aufträge in kleinere Lose muss bestehen bleiben.
- Transparente Verfahren: Alle Vergaben müssen nachvollziehbar und überprüfbar bleiben – ohne Einschränkung der rechtlichen Nachprüfbarkeit.
- Gleiche Chancen bei Direktvergaben: Auch bei beschleunigten Verfahren müssen mittelständische Anbieter berücksichtigt werden.
Hauptgeschäftsführer Mazura: „In allen Sonntagsreden preist die Politik den Mittelstand: Er sei das Rückgrat der Wirtschaft. Wenn wir ihm jetzt den Zugang zu öffentlichen Aufträgen erschweren, schwächen wir nicht nur einzelne Unternehmen, sondern ganze Wertschöpfungsketten in Deutschland und Europa. Eine Vergabereform darf kein Einfallstor für Wettbewerbsverzerrung werden – sie muss Chancengleichheit für alle Unternehmen sichern, egal ob groß oder klein.“
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